Freitag, 24. Juni 2011

Mort Aratsch

Er wird nie wieder so sein wie damals, als ich in den Siebzigern zum ersten Mal vor ihm stand: der Morteratsch-Gletscher. Zwar war er jedes Jahr wieder ein paar Meter zurückgewichen, sah ansonsten aber eigentlich immer gleich aus. Denn das Tal, das er mit seiner Eismasse ausfüllt, ist mehrere Kilometer lang.

Wo einst das Gletschertor der Wanderung ein Ende setzte, prangt heute ein Schild: Stand des Gletschers 1973. Die Strecke zum Rand des Eises ist seitdem beträchtlich länger geworden. Stets aber konnte man den Gletscher ebenen Weges erreichen. Das war auch 2011 so. Und doch hat sich etwas Wesentliches verändert.

Denn ein Stück weiter oben klafft ein Loch im Eis. Nicht groß zwar, aber groß genug, um erkennen zu lassen, daß darunter blanker Fels liegt. So hoch oben? Dann wäre das Eis an dieser Stelle ja viel dünner als die Form des Tales vermuten läßt.

Damals, in den Siebzigern, war dort ein Gletscherbruch mit vielen Spalten. Sie entstehen an Stellen, wo das Eis eine Felsbarriere überwindet. Und eben diese Felsbarriere kommt jetzt zum Vorschein. In wenigen Jahren wird der Felsriegel vollständig frei liegen. Dann wird es vorbei sein mit dem ebenen Weg zum Gletschertor. Dann endet der Weg vielleicht an einem Wasserfall.

Szenenwechsel. Eine alte Engadiner Sage erzählt von einem Hirten, sein Name war Aratsch. Er liebte Annetta, die Tochter eines reichen Bauern, durfte sie aber nicht freien, bevor er nicht in der Fremde zu Geld gekommen war. Als er zurückkehrte, war das Mädchen tot, gestorben vor Sehnsucht nach ihm. Der Hirte ritt hinauf zur Alm, wo er einst mit ihr glücklich gewesen war, und noch darüber hinaus, um sich schließlich in eine Gletscherspalte zu stürzen. Der Geist der geliebten Frau aber fand keine Ruhe, und die Hirten auf der Alp vernahmen fortan ihre Klage: Mort Aratsch. Aratsch ist tot. Aber sie war ein guter Geist, und die Hirten mochten sie.

Bis auf einen. Der verbannte sie für immer aus seiner Hütte, worauf sie einen Fluch aussprach, über die Hütte, die Alm und das ganze Tal. Prompt verödete daraufhin die schöne Alm. Die Kühe gaben weniger Milch und mußten schließlich ganz abgezogen werden. Zugleich rückte der Gletscher von Jahr zu Jahr ein Stück weiter vom Berg herab und ins Tal vor, bis er irgendwann alles unter sich begrub, die Bäume, die Hütten, das ganze schöne Tal.

Heute werden im Vorfeld der zurückweichenden Gletscher stellenweise Baumstämme frei. Stämme mit Hunderten von Jahresringen. Sie müssen dort gestanden haben, wo heute das Eis ist, eine andere Erklärung gibt es nicht.

Der Fluch der Annetta ist ausgestanden, das Eis zieht sich wieder dorthin zurück, wo der unglückliche Aratsch einst den Tod suchte. Die dummen Menschen aber nennen es Klimawandel und machen sich Sorgen.

Samstag, 21. Mai 2011

Den Eingang vergessen?

Wir wollen in die Rheingoldhalle (Mainz), und da es zwischen Hotel und Halle eine direkte Busverbindung gibt, nehmen wir natürlich den Bus, steigen an der Station "Rheingoldhalle" aus - und erspähen auf der gegenüberliegenden Straßenseite unser Ziel. Aber wo ist der Eingang? Es gibt so eine Art Terrasse, aber die liegt eine Straßenebene höher, und von einer Treppe ist weit und breit nichts zusehen, weder hinauf zum Vorplatz noch zur Fußgängerbrücke, die ein Stück zu unserer Rechten die Straße überquert.

Der suchende Blick erspäht einen Wegweiser, und der zeigt nach - links! Also weg von der Brücke. Wir folgen ihm, er führt an der Tiefgaragen-Einfahrt vorbei und ein ganzes Stück an der Halle entlang, an die sich im weiteren Verlauf ein großes Hotel anschließt. Und noch immer kein Eingang. Das macht mich stutzig, und ich frage eine Passantin. "Sie gehen weiter am Hotel entlang, dahinter können Sie dann zur Rheinpromenade queren, von dort in die andere Richtung, wieder am Hotel vorbei, und irgendwann kommen Sie dann zum Eingang!" Wie bitte? "Oder in diese Richtung, aber das ist noch komplizierter" Sie weist in die Richtung, aus der wir gekommen sind. "Aber dort steht ein Wegweiser, und der zeigt hierher!", wage ich zu protestieren. Nun ja, die Einheimischen werden es wissen, und schon nach weiteren 5 Minuten Fußmarsch finden wir den ersehnten Eingang.

Rechts eine Toilette, links ein Vortragssaal. Das soll ein Kongreßzentrum sein? Ich erspähe hinter einer weiteren Tür eine Treppe. Und endlich stehen wir dort, wo man normalerweise ja ganz leicht hinfindet: im Foyer.

Jetzt will ich es wissen und gehe zur Vordertür hinaus, überquere den Vorplatz - und stehe auf der bewußten Brücke, mit direktem Blick hinunter zur Bushaltestelle, wo wir vor nunmehr 15 Minuten angekommen sind. Wo ist die Treppe dort hinunter, für Leute die mit dem Bus hier wieder weg wollen? Es gibt sie nicht. Die Fußgängerzone führt stadteinwärts, Läden zur Linken, Läden zur Rechten, von Durchgang, Treppe oder gar Wegweiser zur Bushaltestelle keine Spur. Wie heißt es doch so schön im Frankenlied: "ich wollt' mir wüchsen Flüüügel!"

Zurück im Hotel, frage ich die Rezeptionistin. "Ja, darüber wundert sich hier jeder. Sie müssen eine Haltestelle vorher aussteigen. Oder eben erst einmal ein gutes Stück von der Halle weglaufen, aber diesen Weg finden nur die Ortskundigen. Oder Sie fahren gleich mit dem Auto." Wollen wir aber nicht. Auf meine verzweifelten Blicke hin gönnt sie mir den ersehnten Insider-Tipp: "Sie können auch inoffiziell über die Rampe in die Tiefgarage laufen und von dort die Treppe hinauf zur Halle nehmen."

Es lebe die autogerechte Stadt! Wer mit dem Bus fährt, muß halt zusehen, wie er hineinkommt. Selber schuld.

Am Abend des folgenden Tages entdecke ich das Geheimnis. Es gab zwischen Bushaltestelle und Fußgängerbrücke tatsächlich einmal eine Rolltreppe, aber die ist zwischenzeitlich mit Brettern verbarrikadiert und das offensichtlich schon seit Monaten oder Jahren, denn die Bretter sehen alt aus, und es liegen Äste, Laub und allerlei Abfall auf den unbenutzbar gewordenen Stufen. Auch den Wegweiser hat man entfernt. Immerhin.

Samstag, 5. Februar 2011

Steuerangelegenheiten

Ein Mann reicht zwei Steuererklärungen ein. Am gleichen Tag. Für die gleiche Steuernummer. Aus der einen ergibt sich eine Rückerstattung über 90 Euro, also verrechnet er die beiden Beträge miteinander und überweist die Summe. Dumm gelaufen, denn er hat die Rechnung ohne die Steuerbürokratie gemacht.

Denn die bearbeitet zuerst die Rückerstattung und weist 90 Euro an. Anschließend stellt sie fest, daß bei der anderen Fälligkeit 90 Euro fehlen. Und die werden natürlich angemahnt. Zwischenzeitlich ist jedoch eine weitere Rückerstattung fällig geworden.

Und nun passiert das Unglaubliche: das Finanzamt überweist auch diese Rückerstattung in voller Höhe und holt sich den zu viel überwiesenen Betrag am nächsten Tag per Kontopfändung wieder zurück.

Ein einfaches "wir haben Ihnen zu viel überwiesen, bitte gleichen Sie die Differenz in den nächsten Tagen aus" hätte es doch auch getan, oder nicht?

Samstag, 23. Oktober 2010

Zwangsbesichtigung bei IKEA

Unser Plakat der Byzanz-Ausstellung, erworben in eben dieser, soll der Blickfang an unserer Wohnzimmerwand werden. Dafür braucht es freilich einen Rahmen, und den hat IKEA. Also auf nach Fürth.

Noch vor dem Eingang schnappen wir uns einen Einkaufswagen, denn ich bin zur Zeit ein wenig lädiert und daher recht froh um den Behelfs-Rentnerporsche.

Aber vor den Einkaufserfolg haben die unmöglichen Schweden die Rolltreppe gesetzt. Keine Chance für Wagenschieber. Wo ist denn hier der Lift? Etwa dort, wo ein großes Schild unmißverständlich anzeigt, welches Ding hier auf gar keinen Fall mit hineindarf? Vielleicht doch lieber dort links? Irrtum, da sind nur Kassen sowie Leute, die froh sind, daß sie das Anstehen an einer solchen endlich hinter sich haben.

Ich bin ein Kunde, laßt mich hier rein!

Wie die Diebe schleichen wir uns samt Wagen gegen den Strom an einer der Kassen vorbei und befinden uns nun endlich im Inneren des blaugelben Schraubregal-Tempels. Wo sind denn hier nun die Bilderrahmen?

Ein Computer-Terminal könnte die Suche nach dem Objekt der Begierde deutlich erleichtern, wären da nicht exakte Kenntnisse gefragt, ob die Suche denn einem Küchen-, Wohn- oder gar Schlafzimmergegenstand gilt. Zählt so ein Rahmen überhaupt als Möbelstück? Vielleicht gibt es ja eine Suchfunktion? Tatsächlich offenbart uns das System schon nach kurzer Zeit eine Auskunft, die an Banalität schwer zu überbieten sein dürfte: die Bilderrahmen seien "in der Dekoration". Ach, was.

Wir setzen die Suche also ohne die Hilfe der hauseigenen Schwach-EDV fort, kämpfen uns gegen den Strom bis in die Abteilung vor, wo sie nun endlich vor uns stehen, in allen Größen und Farben. Wie groß ist unser Plakat nochmal? Ach ja, DIN A1, oder in Zahlen ausgedrückt etwa 60 auf 85 Zentimeter.

Gibt es nicht.

Alle Rahmen sind entweder zu schmal für das Normformat, oder sie sind gleich um 10 Zentimeter zu breit. Letzteres sieht hässlich aus, ersteres hätte zur Folge, daß Teile des Plakates der Schere zum Opfer fallen müßten. Und das wollen wir nun ganz und gar nicht.

Haben diese Rahmenhersteller denn noch nie im Leben von einer DIN Norm gehört? Anscheinend nicht.

Inzwischen haben wir aber herausgefunden, wie sich ein normgerechter IKEA Kunde zu verhalten hat. Er nimmt die eingangs erwähnte Rolltreppe, durchwandert die Möbelabteilung, kommt an deren anderem Ende wieder herunter gefahren, und erst dort stehen dann die Einkaufswagen bereit. Wir hatten einen vom Parkplatz genommen, und das tut ein IKEA Kunde nicht.

Besser gesagt, er darf es nicht. Denn wer im unmöglichen Möbelhaus einkaufen will, und sei es auch nur einen schnöden Bilderrahmen, hat gefälligst immer zuerst das gesamte Möbelprogramm zu besichtigen, und basta. Haben wir aber nicht. Und einen Rahmen haben wir auch nicht.

Montag, 20. September 2010

Unterwegs mit der Deutschen Bahn

Eigentlich könnte ich jetzt auch im Auto sitzen, den Blick auf die Straße gerichtet, Laptop und andere Arbeitswerkzeuge sicher im Köfferchen hinter dem Fahrersitz verstaut.

Wesentlich angenehmer jedoch reist es sich mit der Deutschen Bahn, wo ich mir heute das Bord-Bistro zum rollenden Büro erkoren habe. Statt bequemer Ohrensessel gibt es hier nämlich kleine Tischchen mit geeigneter Arbeitshöhe für den Laptop, und auch die Tasse Kaffee, frisch gebrüht von der freundlichen Dame am Tresen, findet daneben noch Platz.

Damit es dem Geschäftsreisenden an nichts fehle, bietet die Bahn sogar einen WLAN Hotspot an, aber ich habe meinen eigenen Surfstick bei mir. Und falls der ICE nicht gerade durch ländliches Gebiet rollt, findet das kleine Etwas, das da links aus meinem Rechner ragt, auch Anschluß - und tut es mir durch eineen "Verbindungszeit" Ticker kund. Ich habe ein 12-Stunden-Paket gebucht, das reicht auch noch für die Rückfahrt heute abend.

Und wenn ich nun lieber am iPad arbeite? Zum Beispiel, weil ich gen Nürnberg rollend nun doch dem Ohrensessel den Vorzug gebe und kein Gerät auf dem Schoß balancieren möchte? Einen Surfstick anzuschließen ist für das iPad nicht vorgesehen, aber wenn der große Bruder MacBook mit von der Partie ist, teilen die beiden sich den Zugang, und ich komme auch mit dem Pad ganz normal ins Internet.

Au weia! Soeben erfahre ich, daß unser ICE wegen einer Weichenstörung über Darmstadt umgeleitet werden soll - und sehe schon schwarz für meinen Termin. Halt, nein, doch keine Umleitung, die Störung ist behoben, freut sich der Schaffner. Na, und die Fahrgäste erst...!

Langsam wird es voll hier im Bistro-Wagen. Umgeben von mittlerweile 5 Laptops mit fleißig tippenden Männern und Frauen dahinter rolle ich weiterhin vergnügt und entspannt meinem Ziel entgegen.

Thank you for travelling with Deutsche Bahn.
Der Dank ist ganz meinerseits.

Nachtrag: die Rückfahrt gestaltet sich zunächst nicht ganz so entspannt. Denn ich habe mir in den Kopf gesetzt, den Regionalexpreß zu nehmen, finde am Fahrkarten-Automaten aber das "Quer durchs Land" Ticket nicht. Und noch 20 Minuten bis Buffalo, wie es in dem schönen Gedicht heißt.

Es gibt im Frankfurter Hauptbahnhof auch bediente Schalter, aber der eilige Fahrgast darf dort erst einmal eine Wartenummer ziehen. Ob das nicht zu knapp wird mit der Zeit? Vielleicht wird das Ticket ja gar nicht mehr angeboten, und die Differenz zum Normalpreis macht gerade zwei Euro. Kurz entschlossen eile ich zum Automaten zurück - und kämpfe mich erst einmal durch ein schier endloses Dialogsystem. Leider ist am Ende aber, obwohl der Automat einen Schlitz für Geldscheine hat, aus unerfindlichen Gründen keine Barzahlung vorgesehen. Und noch 15 Minuten nach Buffalo.

Also doch in den saueren Apfel gebissen und eine Wartenummer gezogen. Schon nach weiteren 5 Minuten bin ich an der Reihe und klage dem Verkäufer mein Leid mit dem unauffindbaren Ticket. "Ja, das gibt es nicht mehr", finde ich meine Vermutung aus berufenem Munde bestätigt. Schade, dann nehme ich halt das Normalticket.

"Sie können auch günstiger mit dem Bayernticket fahren", klärt mich mein freundliches Gegenüber auf. Bayernticket? Gilt das denn ab hier? "Nein, Sie brauchen zusätzlich eine Karte für sieben Euro soundsoviel, aber zusammen mit dem Bayernticket kommen Sie unter dem Strich günstiger weg".

Hocherfreut über diese Auskunft sehe ich auf die Uhr. Und noch 5 Minuten bis Buffalo.

Der freundliche Verkäufer, der meine Unruhe bemerkt, zeigt erneut sein kundenorientiertes Gesicht. "Keine Sorge, Ihren Zug nach Nürnberg erwischen Sie, der geht gleich hier vorne, auf Gleis 8". Das wußte ich zwar schon, freue mich aber trotzdem über die unerwartete Aufmerksamkeit.

Und so sitze ich nun im Zug, genieße die schöne Landschaft ... und leiste mir von dem gesparten Geld einen Kaffee.

So macht Bahn fahren Spaß.

Sonntag, 12. September 2010

Unfreiwillige Odyssee


Für uns Urlaubs-Heimkehrer steht heute ein Besuch im Elternhaus an, draußen im schönen Kalchreuth, wo schon Albrecht Dürer gerne weilte und wir beide natürlich erst recht, denn bei Mama warten fränkische Klöße, und die wollen pünktlich zur Mittagszeit auf dem Teller liegen.

Ob wir denn vorhätten, wie üblich den Zug zu nehmen, will sie wissen, denn "der fährt heute nicht, wegen dem Radrennen". Nein, weiß ich sie zu beruhigen, wir nehmen heute das Auto. "Gut, aber über Buchenbühl könnt ihr nicht fahren, die Straße ist auch gesperrt", gibt sie mir noch als Ermahnung mit.

Wenige Minuten später ein neuerlicher Anruf der besorgten Mutter: "Du weißt schon, daß heute Neunhofer Kirchweih ist? Da ist heute auch alles gesperrt!"

Erste Anflüge von Besorgnis machen sich breit, denn jetzt bleibt von den drei möglichen Routen nur noch die über Heroldsberg, und wer weiß, ob man nach dorthin überhaupt einigermaßen staufrei durchkommt, bei so vielen Ortsfremden in der Stadt.

Zehn Minuten später stehen wir, die Bayreuther Straße schon in Sichtweite - im Stau. Gottseidank, es fahren Autos stadtauswärts! Und auch stadteinwärts. Aber oh Schreck, ein rotweißes Trassierband und grünbemützte Ordnungshüter zeigen unmissverständlich an, daß wir "Wessis" - gemeint sind die im Westen Nürnbergs Wohnenden - nicht in die gewünschte Richtung einbiegen können und dürfen. Es gibt für uns nur zwei Möglichkeiten: entweder stadteinwärts, wo wir gar nicht hin wollen, oder aber nach dorthin zurück, wo wir soeben herkamen.

Hat man in der Heimatstadt so berühmter Erfinder wie Martin Behaim, Peter Henlein oder Staedtler Mars eigentlich schon einmal von jener genialen Erfindung gehört, die man Hinweistafel nennt? Anscheinend nicht.

Anruf bei Mama: wir kommen 15 Minuten später.

Auch an der Flughafenstraße, die wir als einzige verbliebene Chance auf das wartende Mittagessen einstufen, weist keinerlei Tafel auf das Malheur hin, das uns am anderen Ende erwartet: kein Überqueren der Radstrecke möglich.

Was tun, sprach Zeus? Vielleicht erst einmal nach Tennenlohe, von dort auf die Autobahn in Richtung Regensburg und bei Nürnberg Nord wieder ausfahren, dann wären wir auf einem zwar langen, aber Erfolg versprechenden Weg nach Heroldsberg, wo uns dann nur noch wenige Minuten vom Schweinebraten trennen.

Neuerlicher Anruf bei Mama: es wird wahrscheinlich noch später. Viel später.

Aber was ist das? Da prangt doch tatsächlich ein Schild an der Abzweigung nach Neunhof, welches besagt, daß ein Durchkommen in Richtung Kalchreuth unter gewissen Einschränkungen möglich sei, wenn auch über Feldwege und nur noch bis 13 Uhr, denn dann beginnt der Kirchweih-Umzug.

Schau an, die Neunhofer scheinen sich tatsächlich all jener zu erbarmen, die möglicherweise heute ein anderes Ziel anstreben als ihr sicher sehr lohnendes Dorffest mit Bierzelt und Autoscooter, und die auch dem Radsport nicht so viel abgewinnen können, daß sie dafür alles andere zurückzustellen bereit sind, einschließlich Mittagsmahl.

Wenige Minuten später, wir können unser Glück noch kaum fassen, sind wir tatsächlich und leibhaftig in Kalchreuth.

Irgend etwas aber ist hier heute anders als sonst. Wo sind die vielen Autos, die normalerweise zur sonntäglichen Mittagszeit hier alles so zuparken, daß kaum noch ein Durchkommen möglich ist? Normalerweise platzt der malerische Ort an Tagen wie diesem aus allen Nähten. Wieso überall diese gähnende Leere, die fast den Eindruck einer Geisterstadt erweckt?

Nun ja, die Altoberen der nahen Dürermetropole haben es in der Tat geschafft, das reizende dörfliche Kleinod vor ihren Toren so vollkommen abzuriegeln, daß die hiesige Gastronomie diesen herrlichen Spätsommertag wohl für alle Zeiten als Schwarzen Sonntag in ihren Annalen führen dürfte.

Zumindest bis nächstes Jahr um diese Zeit, denn dann steht erneut ein Rennen um die Nürnberger Altstadt an. Eine Altstadt, in deren Umfunktionierung zur Radsport-Arena heuer zum ersten Mal auch Orte mit einbezogen wurden, die überhaupt nicht zu Nürnberg gehören und schon gar nicht zur Altstadt.

Frage an die Verantwortlichen: der Tag des Neunhofer Festbetriebs war doch quasi Jahrhunderte im voraus bekannt, da hätte es doch möglich sein sollen, eine Totalabriegelung durch zeitgleiche Sperrung der anderen beiden Straßen zu vermeiden?! Zum Beispiel durch ein anderes Datum oder eine geeignetere Streckenführung?

Dienstag, 20. Juli 2010

Bitte stellen Sie sicher, ...


...daß die Sendung problemlos an Sie zugestellt werden kann, läßt der Versender unseres jüngsten Online-Einkaufs uns vorab per Mail wissen.

Er hätte wohl besser «...daß Sie im Erdgeschoß wohnen» geschrieben, wenn er seine Bestellungen durch Dynamic Parcel Distribution (DPD, ehemals Deutscher Paketdienst) ausliefern läßt. Denn der Herr Zusteller denkt überhaupt nicht daran, weiter oben zu klingeln, denn dann müßte er ja warten, bis jemand herunterkommt. Oder im schlimmsten Fall sein Parcel dynamisch ein paar Schritte die Treppe hinauf distribuieren. Offenbar schont der Mann sich aber schon morgens um halb zehn für den Feierabend.

Was für ein Pech für ihn, daß die Frau des Hauses just in diesem Moment hinter der Glastür steht und mitbekommt, wie der allzu dynamische Bote stattdessen den Nachbarn im Erdgeschoß herausklingelt.

Warum er denn nicht beim Empfänger geklingelt habe, will sie von ihm wissen. Hab ich ja, lügt er ihr frech ins Gesicht, aber es hat niemand geöffnet. Das kann ich mir nicht vorstellen, kontert meine Liebste und drückt auf die Klingel, worauf Sekunden später der Türöffner betätigt wird. Sie waren nur zu faul, im zweiten Stock zu klingeln, ruft sie ihm noch hinterher, der zwischenzeitlich wieder den Bock seines DPD-Lieferwagens erklommen hat, um schnellstmöglich dem Feierabend entgegenzubrausen. Oder was auch immer.